LocalZero:Abstimmungsfrage Bürgerbegehren
In eurer Kampagne ist die Abstimmungsfrage des Bürgerbegehrens das A und O: Sie steht auf der Unterschriftenliste, mit der ihr eure Mitbürger:innen mobilisieren wollt, und sie muss den rechtlichen Anforderungen eines Bürgerbegehrens in eurem Bundesland genügen. Zur Abstimmungsfrage selbst gehört immer auch eine Begründung, die ebenfalls auf der Unterschriftenliste stehen muss.
Musterabstimmungsfrage Klimaentscheid
GermanZero schlägt euch folgende Formulierung für die Abstimmungsfrage und die zugehörige Begründung vor, die nach Beratung durch Mehr Demokratie e.V. und den Fachanwalt für Verwaltungsrecht Robert Hotstegs bundesweit einsatzfähig ist:
„Sind Sie dafür, dass die Stadt XY unverzüglich ein Planungsbüro beauftragt, das innerhalb eines Jahres einen Klima-Aktionsplan zur Klimaneutralität bis 203X [2030 oder 2035] in XY erstellt?“
Begründung:
„Die heutige Gesellschaft steht in der Verantwortung, künftigen Generationen eine nachhaltige Lebensgrundlage zu hinterlassen. Die menschgemachte Erderwärmung bedroht diese und Deutschland hat 2015 im Übereinkommen von Paris zugesagt, Anstrengungen zu unternehmen, „um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“ (Art. 2 a)). Auch XY soll seinen Beitrag leisten und daher bis 203X [2030 oder 2035] klimaneutral werden. Gleichzeitig wird XY mit erneuerbaren Energien, zukunftsfähiger Bausubstanz, fossilfreier Mobilität und ausgedehnten Grünschneisen lebenswerter und attraktiver.
Die Stadt XY hat bereits… [jeweils individuelle Einordnung der aktuellen Beschlusslage der Stadt]. Da die bisherigen Anstrengungen jedoch nicht ausreichen, um die Klimaneutralität 203X zu erreichen, soll ein Klima-Aktionsplan durch ein Planungsbüro erstellt werden.
Im Klima-Aktionsplan muss neben einem aktuellen Szenario ohne klimapolitische Maßnahmen (Trendszenario) auch ein Klimaneutralitätsszenario mit den erforderlichen Maßnahmen enthalten sein, deren Umsetzung XY bis 203X zur Klimaneutralität führen würde. Der Klima-Aktionsplan muss im Klimaneutralitätsszenario 203X eindeutig die jährlichen Kosten und den Personalbedarf für die Planung und Umsetzung der dafür notwendigen Maßnahmen in den Sektoren Strom, Wärme, Kraftstoffe, Private Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen (GHD), Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Landwirtschaft und LULUCF abschätzen (z.B. gemäß der Einflussbilanz-Methodik). Für jedes Jahr ab 2018 sind der Endenergiebedarf und die Treibhausgas-Emissionen in diesen Sektoren aufzustellen bzw. zu projizieren, sodass 203X unter Einbezug der regionalen Treibhausgas-Senken in einer Quellen-Senken-Bilanz netto null Treibhausgas-Emissionen in XY emittiert werden. Für einen qualifizierten Klima-Aktionsplan muss das beauftragte Planungsbüro bereits kommunale oder regionale Klimaschutzkonzepte in Hinblick auf Klimaneutralität, Erneuerbare-Energien-Potentialanalysen und nach BISKO-Standard (Bilanzierungs-Systematik Kommunal) erstellt haben. Die Kosten für die Erstellung sollten [3 € pro EW bei <50.000 EW / 2 € pro EW bei <100.000 EW / 200.000 € bei >100.000 EW] nicht überschreiten.“
Bitte diskutiert in eurem Team, ob ihr diese Abstimmungsfrage verwenden oder einen alternativen Ansatz wählen möchtet. Wenn ihr bei der Standardfrage bleiben wollt, solltet ihr so nah wie möglich an der originalen Formulierung bleiben, da man sich mit Abweichungen neue Fallstricke einbauen kann. Nichtsdestotrotz bedingt die lokale Situation eigentlich immer einen gewissen Anpassungsbedarf, bei dem GermanZero euch gerne berät.
FAQs / Häufig gestellte Fragen zur Abstimmungsfrage
Warum wird in der Abstimmungsfrage nicht auch gleich die Umsetzung des Klima-Aktionsplans gefordert?
Die Umsetzung eines noch nicht bestehenden Klima-Aktionsplans zu fordern, führt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu juristischer Unzulässigkeit der Abstimmungsfrage. Ist der Aktionsplan jedoch erst einmal durch die Stadt erstellt, wird er zwangsläufig dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Für den Fall, dass er dann nicht beschlossen oder verwässert würde, könnte dagegen dann ein zweites Bürgerbegehren initiiert werden, das die uneingeschränkte und verbindliche Umsetzung des dann schon sehr konkret ausgearbeiteten Aktionsplans (ggf. auch in verschärfter Form) zum Ziel hat. Das würde wesentlich weniger rechtliche Schwierigkeiten bereiten, weil die prinzipielle Rechtsverträglichkeit eines von der Stadt selbst im Detail ausgearbeiteten Plans vorausgesetzt werden kann.
In unserer Stadt/Gemeinde gibt es bereits einen Beschluss für Klimaneutralität bis 2050. Können wir trotzdem obige Abstimmungsfrage für einen Klimaentscheid verwenden?
Jein. Nach der Einschätzung von Edgar Wunder vom Frühjahr 2020 ist unsere Frage auch in Kommunen, die schon Klimaschutzkonzepte haben, zulässig. Denn die Erstellung/Beauftragung eines neuen Klimaschutzkonzepts mit ambitionierterem Ziel sei kein Widerspruch. Diese Aussage können wir heute nicht mehr zweifellos tätigen, da die Standardfrage zuweilen als kassierend eingeschätzt wurde. Nichtsdestotrotz bleibt jede Prüfung individuell und von den kommunalen Vorbedingungen abhängig, sodass ein bestehender Klimaschutzplan auch nicht zwangsläufig zur kassierenden Einschätzung führt. Die Standardabstimmungsfrage kann also immer als erster Aufschlag verwendet werden und muss dann in Absprache mit der Verwaltung ggf. an die kommunale Situation angepasst werden.
Unsere Stadt/Gemeinde hat bereits einen Beschluss für Klimaneutralität bis 2035. Können wir einen Klimaentscheid für 2030 starten?
Aus klimawissenschaftlicher Sicht gilt natürlich: Je früher Klimaneutralität erreicht wird, desto besser. Jedoch ist auch die politische Dynamik zu berücksichtigen. Und da kann es zielführender sein, eure Energie und Ressourcen dafür einzusetzen, eure Stadt/Gemeinde bei der Umsetzung des bereits verabschiedeten Ziels Klimaneutralität 2035 zu unterstützen und sicherzustellen, dass es eingehalten wird.
Können wir auch einen Klimaentscheid mit Zieljahr 2040 machen?
Nein. GermanZero unterstützt ausschließlich LocalZero-Teams, die als Zieljahr für die Klimaneutralität spätestens 2035 fordern.
Warum sollen Endenergiebedarf und die Treibhausgas-Emissionen ab dem Jahr 2018 ermittelt werden?
Das Jahr 2018 ist bewusst gewählt. Wir fordern, Bilanzen ab 2018 aufzustellen, damit man von einem realistischen Ist-Stand ausgehen kann. Denn oft gibt es eine Energie- und Treibhausgasbilanz nur aus deutlich früheren Jahren. In dem Fall muss die Erstellung einer aktuellen Basisbilanz genau Teil des Klima-Aktionsplans sein. Wir wissen sogar ziemlich genau, dass es die für die meisten Kommunen noch nicht gibt – aber dass die Datensätze für 2018 (oder eventuell auch 2019) auf jeden Fall erhebbar wären und damit die Forderung nicht unzulässig ist. Interessant ist dies zudem, da wir im Klimastadtplan als Referenzjahr auch 2018 verwenden.
Die Treibhausgasbilanz war auch Thema in der Session 7 vom BT21
Warum werden in der Begründung beispielhaft die Sektoren aus der Einflussbilanz genannt?
Die meisten THG-Bilanzen werden gemäß der Bilanzierungs-Systematik Kommunal (BISKO) erstellt. Diese ist allerdings nicht geeignet, alle Emissionen abzubilden und THG-Neutralität bilanziell anzustreben. Daher wurde im Projekt Klimavision die neue THG-Bilanzierungs-Methodik Einflussbilanz entwickelt. Die Einflussbilanz kann vor Ort bei der THG-Bilanzierung eingesetzt werden; wie man dies im Anschluss an den Klimaentscheid fordert, steht im LocalZero:Projektleitfaden "Einflussbilanz im Klima-Aktionsplan verankern".
Warum eigentlich die Forderung nach einem Planungsbüro?
Das Planungsbüro kam im Zuge der Überarbeitung mit Rechtsanwalt Hotstegs hinzu. Denn unsere ursprüngliche Frage – die genau nur die Erstellung forderte – war u. a. vom Wahlamt Essen als „zu unkonkret“ zurückgewiesen worden. Daher haben wir versucht, so klar wie möglich zu formulieren, wie diese Planerstellung erfolgen kann. Und da nicht jede Verwaltung über die Kapazität und Kompetenz verfügt, so einen Klima-Aktionsplan zu erstellen, haben wir als Musterweg das Planungsbüro genommen. Zudem wird dadurch der erste Zeitraum bis zur Entscheidung, ob ein Klima-Aktionsplan erstellt wird, variabel und damit zulässig gehalten, gleichzeitig kann aber die Erstellung sehr klar terminiert werden, nämlich ein Jahr ab dem Zeitpunkt der Beauftragung, welche nach der Entscheidung "unverzüglich", d.h. so schnell wie möglich, erfolgen muss.
Wenn ihr dennoch denkt, dass auch eure Verwaltung dazu in der Lage ist, müsst ihr nicht explizit das Planungsbüro fordern. Gerade in Bayern sind die Bedingungen für BB ja sehr gut und der Konkretheitsanspruch ist vielleicht nicht so hoch. Unsere Fragestellung wurde mit der Maßgabe entwickelt, dass sie unabhängig von Bundesland, Stadtgröße oder vorliegender Kompetenz nutzbar ist; daher ist eine Anpassung natürlich möglich!
Wir wollen die Begründung etwas anpassen. Kann GermanZero die rechtliche Zulässigkeit unserer Anpassung prüfen?
GermanZero kann keine rechtliche Prüfung vornehmen. Aber es ist jederzeit möglich, eine strategische Beratung zu machen, die eure Möglichkeiten einsortiert. Wendet euch dafür mit dem konkreten Background, eurem Ziel und der Problematik gern an das Büroteam, den allgemeinen WeChange Channel oder das Vernetzungstreffen .
Vertreter:innen der Stadt/Gemeinde meinen, Klimaneutralität bis 2030 oder 2035 sei unmöglich. Was nun?
Davon solltet ihr euch nicht entmutigen lassen. Häufig bedeutet ein "Es ist nicht möglich" in Wahrheit "Wir wollen nicht". Corona hat gezeigt, was für gigantische gesellschaftspolitische Entwicklungen möglich sind, wenn etwas "muss". Die Frage ist, ob der gesellschaftliche und politische Wille da ist. Und genau den soll ein Klimaentscheid herbeiführen. Es gibt bereits viele andere Städte und Kommunen, die Klimaneutralität bis 2030 oder 2035 anstreben. Zuletzt sei noch auf einen Ausspruch von Klaus Töpfer verwiesen: "Die Aufgabe von Politik ist, das Notwendige möglich zu machen."
Kann eine Stadt/Gemeinde überhaupt aus eigener Kraft klimaneutral werden?
Klimaneutralität ist immer ein übergreifendes Projekt und endet nicht an den Grenzen der Kommune. Das heißt, auch mit den Nachbargemeinden oder dem Landkreis müssen Kooperationen eingegangen werden, aber das ist Teil der Möglichkeit, aus eigener Kraft klimaneutral zu werden.
Ist für eine kleine Stadt mit 15.000 Einwohnern die Kostenschätzung von 45.000€ realistisch?
Auf S. 179 im Praxisleitfaden Klimaschutz in Kommunen steht beim Klimaschutzkonzept 2050: „Kommunen unter 30 000 Einwohner ca 3–8 Euro pro Einwohner“, daher die 3€ pro Person. Generell ist die Größenordnung wichtig und 50.000-100.000€ ist für eine Kleinstadt realistisch. Wenn ihr für den Kostendeckungsvorschlag eh die Verwaltung anfragt, solltet ihr diese gleich auch um eine Kostenschätzung bitten.
Wie viel sollten wir bei der individuellen Einordnung der Beschlusslage der Stadt schreiben?
Hier gibt es keine klare Antwort. Wichtig ist, dass ihr (wie überall sonst auch) keine Unwahrheiten reinschreibt, denn diese könnten zur Unzulässigkeit führen. Ansonsten muss es sicherlich keine vollständige Auflistung der Klimaaktivitäten eurer Stadt beinhalten, aber es sollte ein grober Überblick über die Klimaschutzbemühungen eurer Kommune sein. Typische Beispiele sind "Klimaschutzkonzept von 2014", "Teilnahme am European Energy Award seit 2017", "Beschluss XY vom AA.BB.20CC zu dies und dem".
Beratung zur Abstimmungsfrage
Es ist jederzeit möglich, eine strategische Beratung zu machen, die eure Möglichkeiten einsortiert. Wendet euch dafür an den Wechange-Kanal "KE Allgemein", in dem schon Teams mit ähnlichen Erfahrungen sind. Gern könnt ihr euch auch mit dem konkreten Kontext, eurem Ziel und der Problematik an das [Büroteam], den allgemeinen WeChange Channel oder das Vernetzungstreffen wenden.
Einen Überblick, wie die Standard-Abstimmungsfrage entstanden ist und wie 6 Klimaentscheid-Fälle einzuordnen sind, hat Hauke am 05.07.21 per Zoom gegeben:
Aufzeichnung des Meetings: https://us02web.zoom.us/rec/share/bp8OsnIixh7o88J_nGiCq2-r-0cwRiLXh67otPK304AJAyiwnUxLVuqnRujmcaJQ.3cZS-em7J3PIMBMV
Für den Kenncodezugriff könnt ihr euch mit einer kurzen E-Mail an das Rise-Team wenden.