LocalZero:Methoden für Klimaentscheide: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 4. März 2021, 18:00 Uhr
Klimaentscheid-Teams nutzen Instrumente der direkten Demokratie, um ihre(n) Stadt/Landkreis/etc. auf den Weg Richtung Klimaneutralität bis 2030 oder 2035 zu bringen. Jedes Bundesland hat andere Regelungen und jede Kommune hat eine andere klimapolitische Situation, sodass das politische Instrument immer individuell ausgesucht werden sollte.
Die meisten Erfahrungen und rechtliche Expertise existieren aktuell mit Bürgerentscheiden, doch auch für die anderen hier aufgeführten Methoden können schon Informationen und kompetente Ansprechpartner gefunden werden.
Diese Übersicht dient u.a. auch der Begriffsklarheit, da z.B. die Bedeutung des Begriff "Volksinitiative" von Bundesland zu Bundesland variiert.
Übersicht der formellen Verfahren auf kommunaler Ebene
Diese Tabelle versucht die unterschiedlichen Regelungen auf kommunaler bzw. Landkreisebene zusammenfassend vergleichbar zu machen. Nicht alle Punkte (bspw. die Themenausschlüsse) gelten jeweils für alle Bundesländer.
Einwohnerantrag (Bürgerantrag in BY, HB) | Bürgerbegehren | |
---|---|---|
Definition | Unterschriftensammlung für Antrag auf Beschäftigung mit Thema im Gemeinderat oder zuständigen Ausschuss | Unterschriftensammlung für Antrag auf einen Bürgerentscheid, mit dem eine Entscheidung herbeigeführt werden kann, die gleichwertig zu einem Ratsbeschluss ist |
Stufigkeit | 1 | 2, (3 in BE, HB, TH) |
Quorum | 1-5% (in SA 10%) der Einwohner ab 14/16 Jahren | 2-10% der Wahlberechtigen (wie bei Kommunalwahl) |
Verbindlichkeit | Nein in BW, BY, MV, NI, SN, ST.
Entscheidungsherbeiführung in BE, BB, HB, NRW, RP, SL, SH, TH. |
ja |
Themenausschluss | Aufgaben außerhalb kommunaler Selbstverwaltung, Aufgaben des Bürgermeisters.
Themen, die innerhalb des letzten Jahr durch einen Einwohnerantrag behandelt worden sind Ratsbeschlüsse können teilweise nur innerhalb von 3 Monaten nach Veröffentlichung behandelt werden. |
Haushalt, Personal, Abgaben, Verwaltungsorganisation, Aufgaben des Bürgermeisters.
Themen, zu denen es innerhalb der letzten 1-3 Jahre einen Bürgerentscheid gegeben hat. Ratsbeschlüsse können nur innerhalb von 3 Monaten nach Veröffentlichung angefochten werden (kassierendes Bürgerbegehren). |
Fristen | 3 Monate bis unbegrenzt bei initiierendem Bürgerbegehren
8 Wochen bis 3 Monate bei kassierendem Bürgerbegehren | |
Wirkungskreis | Kommune, Landkreis (außer BW), Bezirk in BE
Bürgerantrag In BY, HB als Nicht verfügbar in HH, HE |
Kommune, Landkreis (außer BW und HE), Bezirk in HH, BE |
Eingesetzt z.B. in | Klimaentscheid Schorndorf | Klimaentscheid Bayreuth, Klimaentscheid Göttingen |
Übersicht der formellen Verfahren auf Landesebene
Diese Tabelle versucht die unterschiedlichen Regelungen auf Landesebene zusammenfassend vergleichbar zu machen. Nicht alle Punkte (bspw. die Themenausschlüsse) gelten jeweils für alle Bundesländer.
Volksinititiative (Bürgerantrag, Volkspetition) | Antrag auf Volksbegehren (Volksantrag, Volksinitiative) | |
---|---|---|
Definition | Unterschriftensammlung für Antrag auf Beschäftigung mit Thema im Landesparlament | Unterschriftensammlung mit eigenem Gesetzesentwurf als Beginn der Volksgesetzgebung, die gleichwertig zu einem Parlamentsbeschluss ist |
Stufigkeit | 1 | 3 (Volksentscheid letzte Instanz) |
Quorum | 10.000 – 100.000 | 3.000 – 25.000 |
Verbindlichkeit | nein | ja |
Themenausschluss | Keine (7 BL), Finanzen, Abgaben, Besoldung (3 BL) | Haushalt, Finanzen, Abgaben, Besoldung (in allen BL), in HE und SL Verfassungsänderungen |
Fristen | 6 Monate bis unbegrenzt | 6 Monate bis unbegrenzt (6 Wochen in TH) |
Wirkungskreis | Als Bürgerantrag in HB, TH
Als Volkspetition In HH Wenn das Thema ein Gesetzesentwurf ist, auch zur Einleitung eines Volksbegehrens nutzbar in RP und SN Nicht verfügbar in BW, BY, BB, HE, SN und SL |
Als Volksantrag In BW, SA
Als Volksinitiative In BB, HH, SH, MV, RP und SN Auch Korrekturbegehren möglich in HH |
Eingesetzt z.B. in | Klimaneustart Berlin |
Übersicht der informellen Verfahren
Neben den vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten formellen Mitteln der direkten Demokratie gibt es noch etliche weitere Verfahren der politischen Einflussnahme, die v.a. darauf hinauslaufen, Gespräche mit Lokalpolitiker*innen zu führen und öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Teilweise können diese auch parallel mit formellen Verfahren eingesetzt werden.
Ratsantrag | Resolution | (Online-)Petition | Öffentlichkeitswirksame Aktionen | |
---|---|---|---|---|
Definition | Ein Ratsmitglied bringt für den Klimaentscheid einen Antrag/Beschlussvorlage ein | Aufforderung des Stadtrats, bestimmte Positionen zu übernehmen | Informelle Sammlung von Unterschriften, die z.B. gemeinsam mit Resolution oder Ratsantrag übergeben werden | |
To Do für KE | Gespräche mit Fraktionen/Gemeindevertreter*innen, um den Antrag einzubringen und optimalerweise schon vor der Abstimmung eine Mehrheit zu organisieren | Ausarbeitung eines konkreten Forderungkatalogs, der öffentlichkeitswirksam überreicht werden kann | Ausarbeitung einer konkreten Forderung mit Begründung und Adressat*innen, die online oder auf der Straße unterschrieben werden kann | |
Dauer | individuell | wenige Monate | wenige Monate | |
Verbindlichkeit | Nein, Entscheidungsherbeiführung | Nein | Nein | |
Themenausschluss | Nein | Nein | Nein | |
Wirkungskreis | Ratsmitglieder | Ratsmitglieder | Ratsmitglieder über Bürger*innenschaft | |
Eingesetzt z.B. in | Klimaentscheid Münster | Klimapositiv Konstanz (FFF unterstützend) | Klimaentscheid Halle (Saale) | |
Mehr Infos | Ratsantrag |
Vergleich ausgewählter Verfahren
Neben den formellen Regeln gibt es eine Reihe weiterer Gründe, die für oder wider ein Verfahren sprechen können. Die Einschätzungen der Wirksamkeit der Einflussnahme sind subjektiv und von Hauke Schmülling basierend auf den bisherigen Erfahrungen getroffen worden.
Einwohnerantrag | Bürgerbegehren | informelle Verfahren | |
---|---|---|---|
Verbindlichkeit | Nein oder Entscheidungsherbeiführung | Ja | Nein, eventuell Entscheidungsherbeiführung |
Themenausschluss | Ja, aber meist höhere Themenzugängigkeit als Bürgerbegehren | Ja, v.a. Risiko der Einstufung als kassatorisches Bürgerbegehren | Nein |
Politischer Einfluss im Vergleich | Mittel | Hoch | Gering bis Hoch |
Einfluss auf "Stadtgespräch" | Gering | Mittel | Gering bis Hoch |
Organisatorischer Aufwand für das Team | Mittel | Hoch | Gering bis Hoch |
Zeitlicher Aufwand für das Team | Gering bis Mittel | Mittel bis Hoch | Gering bis Mittel |
Weitere Vorteile | Bürger*innenbeteiligung, klare Regelung | Bürger*innenbeteiligung, klare Regelung, oft schon Vorbildverfahren vor Ort | Ist komplett auf die Situation vor Ort anpassbar, meistens schneller, konkretere Entscheidungen forderbar |
Weitere Nachteile | Einige Leute mit Ausdauer benötigt, Corona | Viele Leute mit Ausdauer benötigt, Corona | Verhandlungsgeschick benötigt |
Empfehlung zum Einsatz | Bürgerbeteiligung mit geringerem Aufwand kann guter Kompromiss zwischen Team und Gemeinderat sein, wenn ein vertrauensvolles Gesprächsklima herrscht. | Sollte als erste Option geprüft werden, da es das schärfste Schwert der direkten Demokratie ist | Sehr gut als Ergänzung der anderen Methoden geeignet oder wenn formelle Verfahren für Forderung nach Klimaneutralität als nicht zulässig eingestuft werden. |
Erfahrungen aus kleineren Städten
Beispiel Eberbach
Erfahrungen aus größeren Städten
Frankfurt am Main nach Masterplan aus 2015
Ausgangssituation
In Frankfurt am Main wurde bereits 2015 der "Masterplan 100 % Klimaeschutz" vorgestellt (https://energiemanagement.stadt-frankfurt.de/Service/Dokumente/Masterplan-Klimaschutz.pdf), welcher detailliert fasst, wo wie viele Emissionen entstehen und was Lösungen sind, diese zu tilgen. Z. B. machen 53 % des Strombedarfs im Handel Beleuchtung aus (S.30 im Masterplan). Z. B. dies zeigt wie riesig der Aufwand war den Masterplan zu erstellen. Die größte Aufgabe bestand darin, Zahlen zu ermitteln, welche ganz genau aufschlüsseln wo wegen was emittiert wird sind um pfeilgenau Lösungen dafür zu finden. Im Bereich Energie sollen Energieeffizienz und -sparen den Gesamtstrombedarf der Stadt senken, gleichzeitig soll der Rest erneuerbar werden.
„Ich will, dass Frankfurt am Main die Solarhauptstadt Deutschlands wird.“ Oberbürgermeister Feldmann 2012, https://www.sonnenseite.com/de/politik/peter-feldmann-frankfurt-soll-solarhauptstadt-werden/.
Stand 2017, nur 0,34 % innerstädtisch installierter Photovoltaik decken den Gesamtstrombedarf von Frankfurt (lässt sich aus dem Energiesteckbrief der Stadt ermitteln https://mapview.region-frankfurt.de/transfer/Dateidownload/Energiesteckbriefe/Energiesteckbrief_Frankfurt_am_Main.pdf). Ca. 60 % werden importiert, wiederum davon sind etwa 10 % Photovoltaik, doch Frankfurt ist trotz solcher Versprechen und trotz eines Masterplans selbst nicht Teil der Energiewende und auf dem Weg in die Klimaneutralität.
Was ist zu tun?
Als Bürger*innenbegehren nach § 8b HBO streben wir ein Bürger*innenentscheid, liebevoll genannt, Klimaentscheid an. Dies bedeutet, wir formulieren Forderungen an die Stadt, welche diese binnen 3 Jahre umsetzten muss, sofern wir von zuerst von 3 % der Wahlberechtigten eine Unterschrift bekommen um dann mindestens 82.500 Bürger*innen die Frage zu stellen, wollen Sie, dass die Stadt Frankfurt folgende Maßnahmen umsetzt. Ja nein. Dies ist dann wie eine Kommunalwahl.
Der alles entscheidende Kern ist, wir formulieren konkrete Maßnahmen an die Stadt, welche die Unterschriftensammlung (von Tausenden) zum Interesse der Lokalpolitik macht und diese zur Umsetzung zwingt.
Wie geht das?
Lokal alle Menschen fragen, die bereits heute Teil der Lösung sind und sich an umgesetzten Best Practices orientieren. Z. B. zeigte ein Gespräch im Energiemanagement (https://energiemanagement.stadt-frankfurt.de/), dass 10 weitere Energiemanager benötigt werden, um städtische Gebäude klimaneutral zu machen. Weitere 90 für die Umsetzung. Diese werden schlicht nicht bewilligt, obwohl sich die Energiemanager selbst rechnen würden. Die Stadt würde durch umgesetzte Energiesparmaßnahmen signifikant Energie und damit Geld einsparen. Problem ist, dass Klimaschutz kein ernsthaftes Interesse wichtiger Entscheider*innen ist. Die Klimakrise ist nicht verstanden.
Eine Forderung kann damit sein, die Stadt Frankfurt stellt 10 Energiemanager im Amt für Bau und Immobilien ein. Damit ist dies keine Forderung mehr, sondern eine konkrete Maßnahme. Dies reicht nicht, städtische Liegenschaften machen nur 1 % aus. Der mit Abstand größte Teil sind private Gebäude. Diese unterliegen jedoch nicht dem Einflussbereich der Stadt, sondern Land und Bund. Demnach kann ein (kommunaler) Klimaentscheid keine Forderung aufstellen, die Stadt muss bis z. B. spätestens 2030 zu 100 % auf Erneuerbare Energien umstellen. Was rechtliche Gründe hat. Die Stadt kann jedoch den innerstädtischen Ausbau von Photovoltaik krass beschleunigen indem sie die Installation fördert bzw. quasi kostenlos macht. Ein Best Practice kann Heidelberg sein, https://www.heidelberg.de/hd/HD/service/15_10_2020+foerderung+von+photovoltaik-anlagen+zukuenftig+teil+des+foerderprogramms+rationelle+energieverwendung.html.
Der https://klimaentscheid-frankfurt.de/ denkt Klimaschutz gesamtheitlich. Energie, Mobilität, Stadtgrün, internationale Verantwortung, .. Am Beispiel Stadtgrün können gut weitere Herausforderungen aufgezeigt werden, welche mit konkreten Maßnahmen gelöst werden können und durch Unterschriftensammlung zum Interesse von Lokalpolitik werden. Es fehlt eine ämterübergreifende Abstimmung. So werden Bäume über Systemen (Rohre, U-Bahnen, ..) im Boden gepflanzt, sodass die Bäume nie das Grundwasser erreichen können. Die ämterübergreifende Koordinierung, zwischen hier dem Bau- und Grünflächenamt, soll ein "runder Tisch" mit einer ämterübergreifenden Stabsstelle als konkrete Maßnahme an die Stadt verbessern und lösen. Auch bei Genehmigungsverfahren für Photovoltaik zeigt sich, es fehlt an Koordination, die Verfahren erstrecken sich teils über Monate, womit diese konkrete Maßnahme an die Stadt gleichzeitig die Förderung für innerstädtische Photovoltaik flankiert.
Ein konkrete Maßnahme für Mobilität kann sein, die Stadt baut umliegend Park & Ride Parkplätze mit Anbindung an den öffentlichen Verkehr und stellt für einen Monat ein freies Schnupperticket zur Verfügung. So wird der Pendlerverkehr in die Stadt attraktiv abgefangen. Menschen, die bislang mit dem Auto in die Stadt fahren, wird ein Monat kostenlos angeboten auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und so ggf. schneller zum Arbeitsplatz zu kommen, statt täglich im Stau zu stehen. Was wiederum Lärmbelastung und Luftverschmutzung für Anwohner*innen bedeutet. Insbesondere derer, die sich selbst kein eigenes Auto oder eine teure Wohnung in einem verkehrsberuhigten Bereich der Stadt leisten können.